Neujahr 2017. Ist jetzt wirklich alles neu? Ich bin es definitiv nicht. Ich sehe eher alt aus, aber lassen wir mich mal beiseite. Was ist so neu an so einem Tag? Hm, das Datum: 1. Januar klingt neu, schließlich ist die 1 die erste Zahl in der Zahlenfolge. Okay, was passt noch? Klar! Die neue Jahreszahl 2017. Gut, auch neu. Es gibt meist neue Gesetze oder Verordnungen und dergleichen. Auch okay … Und nun? Wo ist das wirklich NEUE, das Unverbrauchte, …… das noch in der zugeschweißten Tüte befindliche? Tja ich würde sagen, das gibt es nicht. Wir alten Säcke wollen auf einmal alles neu, besser und richtig machen und scheitern meist an alten, eingefahrenen Riten, Gedanken, Ansichten oder dem inneren (alten!) Schweinehund. Warum brauchen wir Menschen dieses Neujahrsgedöns? Können wir nicht jeden Tag, jede Stunde oder Minute unseres Lebens neu beginnen? Erfahren wir nicht allzu oft, dass gerade in Sekunden einfach alles anders und neu ist? Die plötzlich einsetzende Geburt unseres Kindes, das Verlieben ganz unerwartet aus heiterem Himmel, ein Unfall, der uns aus dem Leben reißt oder uns aus der gewohnten Umlaufbahn wirft?
Wozu dann jährlich dieser Neuanfang am 1. Januar ? Natürlich kann ich nur für mich sprechen, aber vielleicht geht es Euch ja auch so: Na, weil es sich gut anfühlt! Ganz einfach! Wie ein langes ausgiebiges, reinigendes Bad, ein Gesichtspeeling oder wenn Frau mit ihrer Affäre Schluss macht. Es gibt uns das Gefühl, Dinge unter Kontrolle zu haben, einen Fahrplan zu besitzen, den Fahrplan für ein gutes Leben. Um jetzt nach dem ganzen Gelaber mal die Kurve zum Laufen zu bekommen … so ein Neujahrslauf gibt das Gefühl, gleich alles richtig zu machen, nämlich: zeitig aufzustehen und ins frisch begonnene Jahr zu laufen.
Heute Nacht, kurz nach Mitternacht, war ich heulend ins Bett gegangen, nachdem ich Werner eine Nachricht geschrieben und mit ihm und unserer Spielbeziehung endgültig Schluss gemacht hatte. Jetzt am Morgen fühle ich mich erleichtert, wenn auch mit Herzschmerz. Wie sooft am Wochenende koche ich mir erst mal einen Kaffee, nasche dazu Schokolade. Eine alte, sehr alte Gewohnheit, die ich auch nicht abzulegen vorhabe . Dann setze ich mich an meinem PC und schaue in das weltweite Netz dieses Planeten, um zu schauen, was es neues gibt. Nach drei großen Kaffee und gefühlt 10 Kilo Weihnachtsgebäck stelle ich fest, ich müsste mich in Laufklamotten werfen, um zum Brandenburger Tor zu laufen und am Berliner Neujahrslauf teilzunehmen. So richtig Lust habe ich zugegebenermaßen nicht. Ich bin müde, noch erkältet und irgendwie unmotiviert. Ein Treffen mit Achim habe ich jedoch verabredet, wir wollen zusammen ein Neujahrsbild machen. Also, enttäusche Achim nicht, Diana und beweg deinen Hintern nach draußen …
Ich dackle also schön warm verpackt los, …… denn es ist noch immer verdammt kalt da draußen. Zum Brandenburger Tor ist es für mich von der Leipziger Straße ja nur ein Katzensprung. Tja, für irgendwas muss ja diese Wohnung gut sein. Im sehr entspannten Trödel-Laufstil mache ich mich auf den Weg. Vor meiner Haustür gibt´s es eine Überraschung. Hier liegt fast nichts an Baller-und Knallzeug herum! Wie cool ist das denn? Das ist nichts im Vergleich zu meiner früheren Wohngegend, Berlin-Friedrichshain. Auch auf der Strecke zum Lauf hält sich der Müll auch in Grenzen. Tja, das finde ich ja mal echt Klasse! Die Leute haben wohl direkt am Brandenburger Tor das Feuerwerk angesehen, statt selbst eins zu machen. Dieses Herumgeballere ist sowieso nicht mein Ding. Mir genügt es, ein Feuerwerk aus der Ferne anzusehen oder eine Wunderkerze anzuzünden. Schließlich habe ich keine Lust, mein Geld in Form von Raketen sprichwörtlich in die Luft zu jagen. Was für ein Blödsinn. Wir reden das ganze Jahr von Feinstaubbelastung, vegetarisch zu essen wegen des CO2-Ausstoßes und vergessen all diese wichtigen Dinge für die wenigen Stunden des Jahreswechsels und vermasseln damit alles. Macht das Sinn? Für mich nicht. Aber ich schweife ab …
Am Brandenburger Tor angekommen genieße ich den Augenblick, die vielen Menschen verschiedener Nationen, das Gewusel … ach ist das schön! Wann war ich hier das letzte Mal dabei? Ich glaube 2012 … hui ganz schön lange her, ganze 5 Jahre! Da sehe ich „Fridolin“, das Maskottchen von SCC Events. Oh den schnappe ich mir für ein Foto, denke ich, und gehe auf das große Plüschtier zu. Ich signalisiere ihm, dass ich ein Foto mit ihm machen möchte und eine Dame aus dem Eventbereich übernimmt das gleich. Bitte lächeln! Cool, jetzt habe ich ein Bild von Fridolin und mir für meinen Blog! So, weiter geht’s. Sogleich stolpere ich über Gritta und Steffen, …… die ich auch am Vortag beim Pfannkuchen-Lauf getroffen habe. Die Welt ist ein Dorf, vor allem die Welt der Läufer. Wir wünschen uns ein gesundes neues Jahr und fallen uns dabei in die Arme. Ich werde auch gleich dazu eingeladen, ein Gruppenfoto von ihnen und Ihren Mauerläufern zu machen. Kein Ding, wird erledigt!
Ich drücke Gritta und Steffen noch einmal und verabschiede mich von ihnen und ihrer Truppe. Bye … So, nun die Startnummer holen. Die ist ja heute nur pro forma, aber trotzdem wichtig. Schließlich will ich ja ein offizieller Teilnehmer sein. Das geht alles ziemlich zügig und unkompliziert vonstatten. So, nun kann es von mir aus losgehen. Ich bin bereit. Ab und zu lasse ich meinen Blick schweifen, um nach Achim Ausschau zu halten. Da ich ihn aber nicht sehe, konzentriere ich mich erst mal auf den Start des ersten Laufevents im ganz neu „geschlüpften“ Jahr 2017. Achim kann ich später noch suchen …
12 Uhr ist Start zum Berliner Neujahrslauf! Meine „Mickey Mäuse“ habe ich mir heute wieder aufgesetzt und sogleich lasse ich mich von der Musik berieseln. Allerdings habe ich im Gegensatz zu gestern die langsamen Songs im Repertoire. Schließlich ist heute Mittag absolutes Wohlfühl-Schneckentempo angesagt. Ich laufe so für mich und bemerke später, dass es von vorne beginnend ab und zu eine La-Ola-Welle gibt. Hui, ich sollte wohl die Kopfhörer absetzen und hier mitmachen. Ich setze die Kopfhörer ab und bin jetzt mittendrin statt nur dabei.
Da, wieder eine La-Ola-Welle! „Ich glaube, immer wenn vorne die Fahnen hochgehen, nehmen die Läufer die Arme hoch.“, sagt eine Läuferin zu ihrer Freundin. Wird wohl so sein, denke ich bei mir und reiße meine Arme in die Höhe. Ach, das ist nett … Während wir „Unter den Linden“ entlanglaufen, werden wir Läufer hauptsächlich von Touristen beklatscht und fotografiert. Ob hier auch „echte“ Berliner am Straßenrand stehen? Hm, wahrscheinlich nicht, die werden doch noch schlafen oder gemütlich zu Hause sitzen. Mir gefällt es, dass wir bestaunt und fotografisch festgehalten werden. Ja, ja … schaut nur … oder besser lauft beim nächsten Mal mit. Die bunte Masse vielsprachiger Läufer schiebt sich weiter in Richtung Schlossbrücke. Hier war ich schon einige Wochen nicht mehr und ich sehe es auch gleich. Das nachgebaute Berliner Stadtschloss mit dem Humboldt-Forum nimmt weiter Form an. Es sieht, ehrlich gesagt, sehr gewaltig aus, aber nicht schlecht. Für mich ist es so ein halb und halb Ding. Damals war ich total gegen den Bau.
Wozu das Ganze? Vernichten wir Geschichte in Form eines Gebäudes, um einen noch weiter entfernten Teil Deutscher bzw. Berliner Geschichte auferstehen zu lassen?
Nun ja, seit dem war ich einige Male vor Ort, habe im „Würfel“ Kaffee getrunken und die Ausstellung besucht. Ich habe sogar in einem politischen Bildungsseminar viel Grundlegendes und Neues zu diesem Berliner Stadtschloss und dem Neubau erfahren. Meine Meinung hat sich geändert. Ich finde es spannend und faszinierend, dieses Gebäude auferstehen zu sehen. Irgendwann werde ich da auch reingehen und um ehrlich zu sein, ich freue mich darauf! Wir lassen das Schloss rechts liegen und laufen weiter in Richtung Spandauer Straße, dabei passieren wir links den Berliner Dom. Der ist immer ein Hingucker! Vorne an der Kreuzung biegen wir links ab und laufen dann nach 100 Metern rechts abbiegend weiter in Richtung … Verdammt … wie heißt die Brücke? Ich muss kurz nachschauen, sorry … so, nachgeschaut. Hm, die Brücke hat keinen Namen, jedenfalls nicht bei Google. Egal! Wir laufen, nein … Halt! Wir gehen über die Brücke in Richtung Berliner Dom und sind nun schon wieder auf dem Rückweg zum Brandenburger Tor. Warum? Keine Ahnung. Auf den Schildern, die Streckenposten in die Höhe halten, steht nur „Bitte über die Brücke gehen“. Warum wir das tun sollen, steht da nicht. Im Läuferfeld wird gemutmaßt und geraten … wahrscheinlich wegen der Schwingungen, die wir LäuferInnen auslösen, sagt jemand in meinem Umfeld, Klingt logisch. Ob das der tatsächliche Grund ist, weiß ich allerdings nicht.
Da wir über diese namenlose Brücke gehen sollen, …… nutze ich die Gelegenheit und mache ein Foto in die Masse hinein. Dann verstaue ich in Ruhe mein Handy und laufe gemütlich weiter. Jetzt liegt der Berliner Dom linker Hand und rechts die alte Nationalgalerie. Ach ja, da war ich auch schon lange nicht mehr drin. Lust hätte ich ja, wenn ich das Gebäude hier so sehe. Nun ja, alles zu seiner Zeit. Wenn ich mal alt und unfähig zum Laufen bin, kann ich mir ja wieder „alte Schinken“ ansehen. Aber noch laufe ich und zwar auf die Schlossbrücke und das Zeughaus zu, wo das Deutsche Historische Museum drin ist. Auch sehr spannend und schon lange nicht mehr von mir besucht. Das mache ich dann auch als alte Oma … wenn ich soweit komme …
Tippel, tippel unser Läuferfeld passiert die Humboldt Uni, weiter am „Alten Fritz“-Denkmal vorbei in Richtung Brandenburger Tor. Tja, der Lauf ist fast schon zu Ende, schade eigentlich. Nur 4 Kilometer lohnen sich eigentlich gar nicht für ein Laufevent. Viele Läufer-Freunde von mir sehen das ja auch so und verbinden den Neujahrslauf gleich mit Laufen zum oder ab dem Brandenburger Tor, damit sich das Aufstehen am 1. Januar auch wirklich lohnt. Noch ein, zwei La-Ola-Wellen schwingen durch das Läuferfeld, bevor wir am Brandenburger Tor ankommen. Ja, das wars schon.
Am Ziel treffe ich überraschend Gordon, er steht sehr konzentriert und hält wahrscheinlich Ausschau nach seiner Familie. Er kann wohl immer noch nicht mitlaufen. Das ist schade. Zuzusehen ist nett, aber mehr auch nicht, wenn man sonst Marathon läuft. Hoffentlich geht es ihm bald wieder besser. Ich begrüße ihn und wünsche ein gesundes neues Jahr. Auch seine Familie lasse ich grüßen, die schwirren hier bestimmt auch gleich herum. Nachdem ich mich durch die Massen gewurschtelt und meine Urkunde ergattert habe, klingelt mein Handy. Allerdings gehe ich zu spät dran. Es war Achim. Ah, er ist also schon durch. Sehr gut! Nach zwei, drei Versuchen bekommen wir uns endlich ans Telefon und verabreden einen Treffpunkt. Es dauert auch nicht lange und wir können unser Foto zum neuen Jahr machen. Dabei werden wir angesprochen, ob wir ein kleines 30 Sekunden-Video aufnehmen würden, um eine Spendenaktion der Björn-Schulz-Stiftung zu unterstützen.
Klar, machen wir da.! Allerdings leichter gesagt als getan. Kurz und knapp auf den Punkt kommend zu sprechen, ist sehr schwer. Ich möchte es auch nicht. Mein Sprachfehler ist in solchen Situationen sehr präsent und ich habe Hemmungen. Da Achim beim ersten Mal nicht ganz zu Wort kommt, weil die Technik ihm ein Schnippchen schlägt, macht er einen zweiten Versuch. Bei diesem quassle ich dann einfach von hinten dazwischen … hey … auf einmal geht doch das Reden … gar nicht so schwer. Achim und ich sind ganz zufrieden. Nachdem wir Gutes getan haben, verabschieden wir uns und jeder geht seiner Wege. Wir werden uns ja in den nächsten Tagen wieder bei irgendeinem Lauftreff sehen. Ich mache mich auf den Weg nach Hause. Ganz gemütlich laufe ich einfach wieder los. An der Britischen Botschaft sehe ich noch einmal Gordon und Angelika. „Ein gesundes neues Jahr wünsche ich euch!“ rufe ich ihnen winkend zu. Sie rufen selbiges zurück. Nach ein paar Minuten bin ich wieder zu Hause und husche in die warme Badewanne … Tja das war er nun, der 1. Lauf meines Jahres 2017. Mal sehen was Jahr 2017 uns in Deutschland, in der Welt und für mich ganz persönlich bringt. So ganz unter uns: Ich glaube ja ganz fest daran, ein Glückskind zu sein. Trotz aller Probleme und Sorgen wird 2017 mein Glücksjahr … darauf verwette ich meinen Hintern!
Fazit zum Lauf: Das Beste, was man an einem 1. Januar in Berlin machen kann.
Fazit des Tages: Um es mit Worten von Hermann Hesse auszudrücken „ … und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
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