2. April 2017 – 37. Berliner Halbmarathon Teil 2

10:40 Uhr – ich laufe durch das Starttor!

Eine Schnappszahl möchte ich heute laufen: 2:22 ! Meine Prognose beim Laktattest hatte eine Zeit von 2 Stunden “ausgespuckt”. Das wäre nicht mal besonders schnell, verglichen mit den letzten beiden Jahren und selbst dann wäre ich im Ziel vollkommen fertig. Das geht nicht! Da ich mit Marc noch einen schönen Nachmittag und Abend verleben wollte, war klar – ich muss langsam laufen. Natürlich nicht einfach so, langsam. Nein! Etwas besonderes zu erlaufen wäre schon nice. Somit gab ich bereits auf der Messe, vor versammelter Leserschaft auf Anfrage des Moderators, zur Kenntnis, diese “schöne” Zeit laufen zu wollen. Mit einer Pace von 6:40 käme ich auf die 2:22. Klingt doch entspannt, oder?
Letztes Jahr waren es … grübel … ich glaube, 5:25 auf einem Kilometer. Gesagt getan.

Vom Startblock F aus geht es für mich los,

auf die Strecke über 21,0975 Kilometer. Die Sonne scheint durch leichte, kleine Wolken am Himmel auf uns alle herab. Was für ein Wetterchen. Perfekt. Nicht zu kalt und nicht zu warm. Mit meinen obligatorischen „Mickey Mäusen“ Kopfhörern auf den Ohren laufe ich mit den vielen anderen LäuferInnen los.
Großes Bauchgribbeln, Unruhe oder Gegrübel gibt es nicht. Die Zeit ist egal und somit auch keine Last auf den Schultern. Der Weg ist das Ziel!
Der letzte Long Run mit 17 Kilometern war sehr angenehm gewesen. Es war also unwahrscheinlich wegzubrechen. Auf der Vital-Messe hatte ich mir noch diese coolen Marshmallow-Dingsbums-Dinger gekauft, die man im Mund zergehen lassen kann. Zwei davon sind sicher in meiner neuen neonfarbenen Hüfttasche (ebenso auf der Messe gekauft) untergebracht. Somit war die Versorgung auf der Strecke auch gesichert.

Während ich euch das alles erzähle, bin ich längst auf der Strecke unterwegs und genieße das Feeling. Nach 3 Kilometern erreiche ich das Brandenburger Tor. Mein erstes Sightseeing-Highlight der Strecke. Hier mache ich einen Selfie-Foto-Stop. Danach laufe ich weiter und schicke einen Luftkuss hoch zum Torbogen, da es mich sehr glücklich macht, hier zu sein. Kurz nach dem Durchlaufen des Brandenburger Tores kommt es endlich wieder – das Gänsehautfeeling – wie lange habe ich darauf gewartet – endlos lange!

Wenn dein ganzer Körper von Glückshormonen durchströmt wird,

sich diese Schnatterpelle bildet und du glaubst, mit deinem Körper über den Asphalt zu schweben, bist du im Olymp der Glückseligkeit angelangt. Mit keinem Geld der Welt kann dieses Gefühl bezahlt werden. Es ist einzigartig und für jeden Läufer anders … Mir stehen die Tränen in den Augen. Endlich bin ich glücklich, läuferisch und privat. Den Mut nie zu verlieren, stets nach vorne zu schauen, tapfer alle Talsohlen zu durchschreiten und an sich zu glauben, lohnt sich immer!

Mit den Schmetterlingen in meinem Körper und unter den Laufschuhe geht’s weiter. Auf der Straße des 17. Juni´s sehe ich einen Mann mit einem super Spruch auf dem Rücken: „Wer Langsam Läuft Wird Länger Gesehen“. Na das ist ja mal cool! Ich zerre mein Handy aus der Tasche und mache ein Bild davon. Eigentlich möchte ich den Mann, in dem Shirt und dem Spruch, davon in Kenntnis setzen, aber der biegt spontan ab und ich habe keine Lust, ihm nachzurennen. Dann eben nicht, denke ich.

Es geht weiter, um die „Goldelse“ herum auf der Straße des 17. Juni, in Richtung Ernst-Reuter-Platz und zum Richard-Wagner-Platz. Dort, bei Kilometer 8 wollten Mark (mit k) und Silke stehen und uns LäuferInnen anfeuern. Genau vor dem grünen Kilometer Schild stehen die beiden auch tatsächlich.
Ich laufe jubelnd auf sie zu. „Jäh … schön euch zu sehen“, rufe ich ihnen zu. Wir drücken uns herzlich.
„Los wir machen ein Selfie“ sage ich leicht schnaufend und auch schon etwas rotbäckig. Bitte lächeln! 5- 6 mal drücke ich auf den Auslöser. Jipiii. Alles schick.
Ich drücke die beiden nochmal herzlich und verabschiede mich. Mark sehe ich bei Kilometer 18 noch einmal, sagt er. Silke werde ich nicht wieder treffen. Tschüüüüß!

Zuvor war mir noch etwas sehr schönes passiert

Eine Läuferin hatte mich angetippt und mich gefragt, ob ich die Diana von den „laufenden Geschichtet“ wäre. „Ja“, antworte ich. Sie weiß, ich werde gern angesprochen, sagt sie. Ich bejahe dies und strahle sie an. Natürlich freue ich mich immer noch sehr darüber, es ist stets wie Weihnachten und Geburtstag feiern zusammen.
Sie erzählt mir, dass sie eine Freundin auf der Zielzeit von 2:25 begleitet. Dafür drücke ich ihr die Daumen, was nur leider nicht genügt. Im Ziel treffen wir uns tatsächlich noch einmal und sie sagt, es hat nicht ganz gereicht. Ich glaube, es waren 2:29. Aber, liebe unbekannte Läuferin, es ist immer schön, dabei zu sein, oder? Euch beiden wünsche ich alles Gute! Bleibt dran und habt stets Spaß beim Laufen!

Wo war ich stehen oder besser gesagt, „laufen geblieben“ – ah ja, bei Kilometer 8

Am Schloss Charlottenburg biegen wir alle links ab. Zuvor juble ich noch den Musikern zu, die an der Strecke stehen und uns ordentlich einheizen. Ohne diese musikalische Begleitung wäre der Lauf nur halb so schön. Danke an euch alle!
Die Schloßstraße hinunter geht es in Richtung Kilometer 10. Hier angekommen mache ich wieder ein Foto-Stop. Diesmal frage ich zwei Damen, die hier als Ordner an der Strecke stehen. Ich recke und strecke mich. Cool! Die Fotos sehen Klasse aus. Bestimmt ist da ein hübsches für meinen Blog dabei.

Tja, dann mal weiter. Bis jetzt strahle ich immer noch wie ein Pfannkuchen. So lange zu laufen, so gemütlich, ist einfach geil. Dabei klatsche ich Hände ab, von Kindern, auch von Erwachsenen. Viele die mich bejubeln, bejuble ich einfach zurück, kaum zu bändigen hüpfe ich die Schloßstraße hinunter.
Am Versorgungsstand genehmige ich mir in Ruhe ein Schluck Wasser … und werde von einer jungen Dame, die als Volunteer hier tätig ist, angesprochen. „Diana – Diana Grimm … ich habe von dir gelesen … „ Ich strahle jetzt noch mehr und frage sie spontan, ob wir ein Foto machen möchten. „Ja“ sagt sie zu meiner völligen Überraschung. Also lächeln wir beide mit Gegensonne in ihr Handy. Das Foto ist gut geworden, Danke Ines, dafür. Erfrischt und mit einem Gruß auf den Lippen, verabschiede ich mich und laufe weiter. Was für ein geiler Berliner Halbmarathon ist das nur heute!

Nach etwas über 11 Kilometern biegen wir auf den Kurfürstendamm ab

Hier bin ich die letzten zwei Jahren nur im „Tunnel“ gelaufen. Heute schaue ich mich um. Mir geht es immer noch ganz fantastisch. Vorsichtshalber, denke ich, wird bei Kilometer 14 oder 15 so ein Marshmallow-Dings genommen. Sicher ist sicher … Bis dahin fliege ich förmlich über den Kurfürstendamm. Den Menschen, die uns zujubeln, ins Gesicht zu sehen, statt im Tunnelblick an ihnen vorbei zu rennen, ist ganz wundervoll. Ich grüße, winke und juble zurück. Die Musik auf den Ohren verhilft mir regelmäßig zu einem Rausch des absoluten Glücks. Alles ist schön … schön – einfach schön.

Am „Erdinger alkoholfrei“ Torbogen sehe ich Michael Klotzbier und seine Jungs

Von hinten rufe ich „Micha, Micha …“ Er dreht sich kurz um, nimmt mich aber gar nicht wahr. Ich grüße einfach kurz in die Runde der Jungs und laufe weiter. Kurz danach höre ich Michael am Erdinger Tor ins Mikro sprechen, verstehe aber nicht, was er sagt. Ich bin ja auch genug mit mir und meinen Glücksgefühlen beschäftigt und fliege weiter davon.
Hier mache ich mir mal dicken Backen, indem ich dieses Marshmallow-Dings in den Mund schiebe und im Mund langsam zergehen lassen möchte. Mit langsam is aber nix. Das Ding wird sofort von meiner Mundschleimhit absorbiert, so schnell kann ich gar nicht gucken … ob das dann auch wirkt, wenn es so schnell im Magen landet. Keine Ahnung! Ist jetzt auch egal … wech is wech. Ein zweites schiebe ich jetzt nicht nach. Wer weiß, nachher quillt das Zeug noch in meinem Magen auf wie ein Hefekuchen und ich bekomme Bauchweh. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Nee, nee …

Ich komme am Potsdamer Platz an

Hier spüle ich mit Wasser die Reste meines Power-Snack hinunter. Wow. Schon am Potsdamer Platz, geil! Jetzt ist es nicht mehr lange, bis zum Ziel!
Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass ich hier einen Tick zu langsam unterwegs bin und gebe lieber ein bisschen Gas. Vorsichtshalber. Das passt auch gerade super zur Musik, die ich höre, die Beats von …. passen perfekt zu meiner Pace. Etliche Läufer überhole ich hier an dieser Stelle. Die Leipziger Straße ist voller Menschen. Der Beifall, die Zurufe sind wie ein Sog, der mich immer mehr die Straße entlang zieht. Diesen Sog lasse ich einfach zu. Es bildet sich ein Tunnel. Links und Rechts verschwindet alles. Es gibt nur noch bunte Menschenmassen … und mein Herz, das in meinem Körper schlägt, laut und deutlich. Mein Blut wird katapultartig durch die Gefäße geschickt und verteilt rauschende Glücksgefühle, auch in den letzten Winkel.
Leider geht es nicht allen auf der Strecke so. Ab dem Checkpoint Charlie überhole ich fast nur noch und sehe viele LäuferInnen, total am Limit, gehen. Schade! Aber hey, solche Läufe hatte ich auch schon. Es ist nicht immer so entspannt wie heute, um ehrlich zu sein. Jeder erwischt mal einen schlechten Tag. Kopf hoch, der nächste Lauf wird bestimmt besser.

Ach ja, ich hatte ja noch etwas vergessen zu erwähnen

Entschuldigung. Fällt mir gerade ein. Am Kilometerschild 18 stand noch einmal Mark und feuerte mich an. Dankeschön dafür, da ich zu diesem Zeitpunkt aber auf Tempo war, habe ich ihn nur kurz gegrüßt. Und … zweimal hatte ich noch den Läufer mit dem coolen Spruch auf dem Rücken gesehen. Danny, ich grüße dich ganz herzlich. Dein Shirtspruch ist super! Danke, dass ich deinen Rücken in meinem Blog zeigen darf. Alles Gute für dich!

So, wo war ich?

Ach ja, am Checkpoint Charlie! Hier bin ich sozusagen zu Hause, also fast … nur einmal kurz rechts in die Leipziger Straße abgeborgen und schon komme ich an unseren Fenstern vorbei.
Ob meine Mädels doch noch hier stehen und winken …Nein. Leider nicht. Schade. Letztes Jahr waren sie noch mit Begeisterung dabei. Dieses Jahr sind sie mit sich beschäftigt. Das ist ja auch okay. Nur doof, dass es mal anders abgesprochen war. Aber ich sollte da als Mama einfach mal entspannt sein und Mädels um die 20 nicht dazu verdammen, an der Strecke zu stehen und zu winken, oder?

Da ich keine Zeit zum Nachdenken habe, konzentriere ich mich jetzt wieder auf die Strecke. In knapp einem Kilometer kommt die berühmt berüchtigte Gertrauden Brücke. Dort wird es immer etwas taff. Dieser kleiner Anstieg ist nach knapp 19 Kilometern einfach fies. Dieses Jahr steht dort Marc, jäh! Darauf freue ich mich riesig. Also Beine in die Hände und ab die Post. Die Leipziger Straße ist groß und breit, die Sonne scheint – es sind nur noch knapp 2 Kilometer. Alles ist gut. Nein, es ist perfekt. Mein Herz pocht! Jetzt wegen der Vorfreude Marc zu sehen. Ob es tatsächlich da steht? Wie oft hatte ich vergeblich meinen Ex-Mann an der Strecke gesucht. Oft war er nicht da und ich enttäuscht.

Heute ist ALLES anders!

Marc steht tasächlich da, strahlt mich an. Ich strahle zurück. Wir fallen uns in die Arme. Es ist so unglaublich schön, ihn hier an der Strecke zu haben. Wir sehr habe ich mir diesen Moment herbei gesehnt … Marc möchte mich schon wieder auf die Piste schicken. „Ich habe noch Zeit. Über 10 Minuten“ sage ich ganz happy. „Wir können noch ein Foto machen …“ Ich stelle mich in Position und er lichtet mich ab. Dann knuddeln wir uns noch einmal und ich laufe winkend weiter. „Wir sehen uns im Ziel“ rufen wir uns zu. Jetzt ist es nur noch ein Kilometer. Wow … Kurz hinter Mühlendammbrücke entdeckt mich Barbara noch … eine liebe Freundin von mir. Ich bleibe spontan stehen und umarme sie. Klar machen wir noch ein Foto. Das muss sein und Zeit bleibt noch genug!
So viele liebe Freunde, Bekannte und Unbekannte habe ich auf diesen 21,1 Kilomtern getroffen. Nicht jeden kann ich hier, in meiner Geschichte nennen. Jeder für sich, hat jedoch dazu beigetragen , dass es für mich ein unglaublicher Halbmarathon wurde. Mit Abstand einer meiner emotionalsten Läufe überhaupt.
Den letzten Kilometer laufe ich wie im Rausch … und hier ende ich, wie der erste Teil begonnen hat …

Alles läuft in Zeitlupe ab – in slow motion.

DU hast noch einen Kilometer zu laufen. Die Sonne scheint … Neben dir gehen bereits manche LäuferInnen, weil sie total am Limit sind, andere sind so fokussiert, dass sie nichts mehr sehen oder hören.
DU bist in absoluter Hochform, da du die letten 20 km in genüsslicher Form zurückgelegt hast.
Die Menschen am Rand der Strecke jubeln und klatschen dir begeistert zu … mit Konfetti, Tröten, Trommeln – es ist ein einziges Feuerwerk!
Dein Name wird gerufen.
DU reißt die Arme hoch und gibst die Begeisterung, die dir geschenkt wird, zurück.
Hepp … hepp … hepp … du klatschst Hände ab, bleibst kurz stehen und drückst dir vollkommen fremde Menschen.
DU bist der Star auf der Strecke. Die Zuschauer stehen nur für dich hier!
Deine Beine tragen dich immer weiter, die Leute jubeln immer noch, die Gänsehaut breitet sich auf deine gesamten Körper aus , wie eine Welle. Deine Haare stellen sich auf , dein Herz öffnet sich. Das warme Blut fließt durch dich hindurch, wie warme Schokolade in der Werbung … immer noch im Zeitlupen-Tempo. Es ist der perfekte Moment!
Was will frau mehr? Was wollen wir LäuferInnen mehr? Nix!

Nun gut … Ich wollte doch meine Schnappszahl laufen

Deshalb musste ich einige Meter gehen und eine Minute vor dem Ziel warten. Am Rand stehend habe ich einfach abgewartet und dabei in die Gesichter der LäuferInnen geschaut, die das Ziel vor Augen hatten. Es war etwas besonderes, das zu erleben. So etwas macht man nicht alle Tage …
Am Ende ist es auch die 2:22 geworden, wenn auch ein ganz klein wenig gemogelt. Das sei mir aber bitte nachgesehen.

Fazit zum Lauf: Der Berliner Halbmarathon ist immer ein Evergreen! Dabei sein ist (fast) alles! Top organisiert. Die Stimmung verschafft mir persönlich immer wieder Gänsehaut. Für nächstes Jahr habe ich mich wieder angemeldet, trotz des taffen Startgeldes. Allerdings bin ich der Meinung, das Geld ist es wert!

Fazit des Tages: Laufen ist die geilste, legale Droge der Welt! Die müsst ihr probieren, wenn ihr nicht auch schon längst süchtig seid.