Die Prognose beim Laktattest in Vorbereitung zum Halbmarathon „spuckte“ eine Zeit von 2 Stunden aus. Das wäre nicht mal besonders schnell, verglichen mit den letzten beiden Jahren und selbst dann wäre ich im Ziel vollkommen fertig. Das geht nicht. Mit Marc möchte ich schließlich noch einen schönen Nachmittag und Abend erleben. Einfach so, langsam? Nein. Etwas besonderes zu erlaufen wäre schon nice. Bereits auf der Vital Messe vor versammelter Leserschaft, auf Anfrage des Moderators, gab ich zur Kenntnis, eine “schöne” Zeit laufen zu wollen, eine Schnapszahl. Mit einer Pace von 6:40 käme ich auf 2:22. Klingt entspannt, easy.
Vom Startblock F aus geht es für mich los, auf die Strecke über 21,0975 Kilometer durch Berlin. Die Sonne scheint durch leichte, kleine Wolken am Himmel auf uns alle herab. Was für ein Wetterchen. Nicht zu kalt und nicht zu warm. Mit meinen obligatorischen „Mickey Mäusen“ Kopfhörern auf den Ohren laufe ich mit den vielen anderen Läufern los. Großes Bauchgribbeln, Unruhe oder Gegrübel gibt es nicht, stattdessen Herzklopfen und Gänsehaut. Die Ziel-Zeit ist 2:22 und keine Last auf meinen Schultern. Der Weg ist das Ziel. Der letzte Trainigs-Long-Run von17 Kilometern war sehr angenehm gewesen. „Wegzubrechen“ auf der Strecke war somit unwahrscheinlich. Auf der Vital-Messe hatte ich mir noch diese coolen Marshmallow-Dingsbums-Dinger gekauft, die man im Mund zergehen lassen kann und dann Power hat. Zwei davon sind sicher in meiner neuen neonfarbenen Hüfttasche (ebenso auf der Messe gekauft) untergebracht. Die Versorgung auf der Strecke war gesichert 🙂
Während ich euch das alles erzähle, bin ich auf der Strecke unterwegs und genieße das wundervolle Feeling. Nach 3 Kilometern laufen erreiche ich das Brandenburger Tor. Das erste Sightseeing-Highlight der Strecke. Hier mache ich einen Selfie-Foto-Stop. Mit einem Luftkuss hoch zum Brandenburger-Torbogen, geht´s weiter. Kurz nach dem Durchlaufen des Brandenburger Tores kommt es endlich wieder – das Gänsehautgefühl! Lange habe ich darauf müssen, wenn dein ganzer Körper von Glückshormonen durchströmt wird, sich diese Schnatterpelle bildet und du glaubst, mit deinem Körper über den Asphalt zu schweben. Mit keinem Geld der Welt kann dieses Gefühl bezahlt werden. Es ist einzigartig. Mir stehen die Tränen in den Augen. Endlich bin ich glücklich, läuferisch und privat. Den Mut nie zu verlieren, stets nach vorne zu schauen, tapfer alle Talsohlen zu durchschreiten und an sich zu glauben, lohnt sich immer!
Mit den Schmetterlingen in meinem Körper und unter den Laufschuhe geht’s weiter. Auf der Straße des 17. Juni sehe ich einen Mann mit einem super Spruch auf dem Rücken: „Wer Langsam Läuft Wird Länger Gesehen“. Ich zerre mein Handy aus der Tasche und mache ein Bild davon. Eigentlich möchte ich den Mann, in dem Shirt und dem Spruch, davon in Kenntnis setzen, aber der biegt spontan ab und ich habe keine Lust, ihm nachzurennen. Dann eben nicht. Es geht weiter, um die Goldelse herum auf der Straße des 17. Juni, in Richtung Ernst-Reuter-Platz und zum Richard-Wagner-Platz. Dort, bei Kilometer 8 wollen Mark (mit k) und Silke stehen und uns Läufer anfeuern. Genau vor dem grünen Kilometer Schild stehen die beiden auch tatsächlich. Ich laufe jubelnd auf sie zu. Wir drücken uns herzlich. „Los wir machen ein Selfie“ sage ich leicht schnaufend und auch schon etwas rotbäckig. Bitte lächeln! 5- 6 mal drücke ich auf den Auslöser. Ich drücke die beiden nochmal herzlich und verabschiede mich. Mark sehe ich bei Kilometer 18 noch einmal, sagt er. Silke werde ich nicht wieder treffen. Tschüüüüß!
Zuvor war mir noch etwas unglaubliches geschehen! Eine Läuferin tippte mich an und mich fragte, ob ich die Diana von den laufenden Geschichten wäre. Ja, antworte ich lächelnd. Sie weiß, ich werde gern angesprochen, sagt sie. Ich bejahe dies und strahle sie an. Natürlich freue ich mich immer sehr darüber, es ist stets wie Weihnachten und Geburtstag zusammen feiern. Sie erzählt mir, dass sie eine Freundin auf der Zielzeit von 2:25 begleitet. Dafür drücke ich ihr die Daumen, was nur leider nicht genügt. Im Ziel treffen wir uns tatsächlich wieder und sie sagt, es hat nicht ganz gereicht. Liebe unbekannte Läuferinnen es ist trotzdem geil dabei zu sein, oder? Euch beiden wünsche ich alles Gute! Bleibt dran und habt stets Spaß beim Laufen!
Bei Kilometer 8, am Schloss Charlottenburg biegen wir alle links ab. Zuvor juble ich Musikern zu, die an der Strecke stehen und uns ordentlich einheizen. Ohne diese musikalische Begleitung wäre der Lauf nur halb so prickelnd. Danke an euch. Die Schloßstraße hinunter geht es in Richtung Kilometer 10. Hier angekommen mache ich wieder ein Foto-Stop. Diesmal frage ich zwei Damen, die hier als Ordner an der Strecke stehen.
Tja, dann mal weiter. Bis jetzt strahle ich noch wie ein Pfannkuchen. So lange, so gemütlich zu laufen, ist einfach mega. Dabei klatsche ich Hände von Kindern, auch von Erwachsenen, ab. Die vielen Menschen an der Strecke, die uns Läufer bejubeln, bejuble ich enthusiastisch zurück, kaum zu bändigen hüpfe ich laufend die Schloßstraße hinunter. Am Versorgungsstand genehmige ich mir in Ruhe ein Schluck Wasser. Dabei spricht mich eine junge Dame an, die als Volunteer hier tätig ist. „Diana, Diana Grimm? Ich habe von dir gelesen, die laufenden Geschichten … „
Oh, mein Gott! Das ist jetzt nicht wahr oder? Wieder werde ich auf meinen Blog angesprochen! WAHNSINN! Ich strahle jetzt noch mehr und frage, ob wir ein Foto machen möchten. „Ja“ sagt sie zu meiner völligen Überraschung. Also lächeln wir beide mit Gegensonne in ihr Handy. Das Foto ist gut geworden, Danke Ines, dafür. Erfrischt und mit einem Gruß auf den Lippen, verabschiede ich mich und laufe weiter. Was für ein geiler Berliner Halbmarathon ist das nur heute! Nach etwas über 11 Kilometern biegen wir auf den Kurfürstendamm ab. Hier bin ich die letzten zwei Jahre fokusiert im „Tunnel“ gelaufen. Heute schaue ich mich neugierig um. Mir geht es immer noch fantastisch. Vorsichtshalber, denke ich, wird bei Kilometer 14 oder 15 so ein Marshmallow-Dings genommen. Sicher ist sicher. Bis dahin fliege ich förmlich über den Kurfürstendamm. Den Menschen, die uns zujubeln, ins Gesicht zu sehen, statt im Tunnelblick an ihnen vorbei zu rennen, fühlt sich ganz wundervoll an. Ich grüße, winke und juble zurück. Die Musik auf den Ohren verhilft mir regelmäßig zu einem Rausch des absoluten Glücks. Alles ist schön … schön – einfach schön.
Am Erdinger alkoholfrei Torbogen sehe ich Michael Klotzbier und seine Jungs. Von hinten rufe ich „Micha, Micha …“ Er dreht sich kurz um, nimmt mich aber nicht wahr. Ich grüße kurz in die Runde der Jungs und laufe weiter. Kurz danach höre ich Michael am Erdinger Tor ins Mikro sprechen, verstehe aber nicht, was er sagt. Stattdessen mache ich mir mal dicken Backen, indem ich dieses Marshmallow-Dings in den Mund schiebe und im Mund langsam zergehen lassen möchte. Mit langsam is aber nix. Das Ding wird sofort von meiner Mundschleimhit absorbiert, so schnell kann ich gar nicht gucken … ob das dann auch wirkt, wenn es so schnell im Magen landet? Ist jetzt auch egal, wech is wech. Ein zweites Ding schiebe ich jetzt nicht nach. Wer weiß, nachher quillt das Zeug in meinem Magen auf wie ein Hefekuchen und ich bekomme Bauchweh. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Nee, nee …
Ich komme am Potsdamer Platz an. Hier spüle ich mit Wasser die Reste meines Power-Snacks hinunter. Wow. Schon am Potsdamer Platz, geil! Jetzt ist es nicht mehr weit, bis zum Ziel. Da ich glaube, meine Ziel-Zeit nicht zu schaffen, gebe ich ein bisschen Gas. Vorsichtshalber. Das passt super zur Musik die ich im Ohr höre, die Beats passen perfekt zur Pace. Am Kilometerschild 18 sehe ich noch einmal Mark. Kurz winke ich rüber, während er mich anfeuert. Die Straßen, voller Menschen, ihr Beifall, die Zurufe sind wie ein Sog der mich mehr und mehr die Straße entlang zieht. Es bildet sich ein innerer Tunnel. Links und Rechts verschwindet alles. Es gibt nur noch bunte Menschenmassen und mein Herz, das in meinem Körper schlägt, laut und deutlich. Mein Blut wird katapultartig durch die Gefäße geschickt und verteilt rauschende Glücksgefühle, bis in den letzten Winkel. Leider geht es wohl nicht allen auf der Strecke so. Ab dem Checkpoint Charlie sehe ich jede Menge am absoluten Limit. Solche Läufe hatte ich auch. Nicht immer waren meine Wettkämpfe so entspannt wie heute.
Hier bin ich zu Hause, also fast nur einmal kurz rechts in die Leipziger Straße abgeborgen und schon komme ich an unseren Fenstern vorbei. Ob meine Mädels doch hier stehen und winken? Nein. Schade. Letztes Jahr waren sie noch dabei. Dieses Jahr sind sie mit sich beschäftigt. Das ist ja auch okay. Nur doof, dass es mal anders abgesprochen war. Aber ich sollte als Mama entspannt sein und Mädels um die 20 Jahre nicht dazu verdammen, an der Strecke zu stehen und ihrer Mama zu winken.
In knapp einem Kilometer kommt meine berühmt berüchtigte Gertrauden Brücke. Dort wird es taff für mich 😉 Dieser mini-kleine fiese Anstieg nach knapp 19 Kilometern. Dieses Jahr steht dort Marc. Darauf freue ich mich riesig! Also Beine in die Hände und ab die Post. Die Leipziger Straße ist groß und breit, die Sonne scheint. Nur noch knapp 2 Kilometer bis zum Ziel. Alles ist perfekt. Mein Herz pocht, wegen der Vorfreude Marc zu sehen. Ob es tatsächlich da steht? Wie oft hatte ich vergeblich meinen Ex-Mann an der Strecke gesucht. Oft war er nicht da und ich enttäuscht.
Heute ist alles anders! Marc steht tasächlich da, strahlt mich an. Ich strahle zurück. Wir fallen uns in die Arme. Es ist so unglaublich, ihn hier an der Strecke zu haben. Wir sehr habe ich mir diesen Moment herbei gesehnt. Marc möchte mich schon wieder auf die Piste schicken. „Ich habe noch Zeit. Über 10 Minuten“ sage ich happy. „Wir können noch ein Foto machen …“ Ich stelle mich in Position und er lichtet mich ab. Dann knuddeln wir uns noch einmal und ich laufe winkend weiter. „Wir sehen uns im Ziel“ rufen wir uns zu. Jetzt ist es nur noch ein Kilometer. Kurz hinter der Mühlendammbrücke entdeckt mich Barbara, eine liebe Lauf-Freundin. Ich bleibe spontan stehen und umarme sie. Klar machen wir ein Foto, Zeit bleibt noch genug. Wow, wie viele liebe Freunde, Bekannte und Unbekannte habe ich auf diesen 21,1 Kilometern getroffen. Jede persönliche Begegnung auf dieser Strecke trug dazu bei, dass dies ein Halbmarathon wurde, den ich nie vergesse und einer der emotionalsten Läufe überhaupt wurde. Den letzten Kilometer laufe ich wie im Rausch …
Ich wollte eine Schnappszahl laufen. Leider war ich zu schnell 😉 Deshalb ging ich einige Meter langsam und wartete eine Minute vor dem Ziel am Rand stehend. Währenddessen schaute ich in die Gesichter der Läufer, die das Ziel vor Augen hatten. Es war etwas besonderes, das zu erleben. So etwas mache ich nicht alle Tage. Also eigentlich nie! Tatsächlich sind es 2:22 geworden, wenn auch ein ganz klein wenig gemogelt 😉
Fazit zum Lauf: Der Berliner Halbmarathon ist ein Evergreen. Dabei sein ist alles. Top organisiert. Die Stimmung verschafft mir immer wieder Gänsehaut. Für nächstes Jahr habe ich mich wieder angemeldet, trotz des taffen Startgeldes.
Fazit des Tages: Laufen ist die geilste, legale Droge der Welt.
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