Alles läuft in Zeitlupe ab – in slow motion: Du hast noch einen Kilometer zu laufen. Die Sonne scheint . Neben dir gehen bereits manche Läufer, weil sie total am Limit sind, andere sind so fokussiert, dass sie nichts mehr sehen oder hören. Du bist in absoluter Hochform, da du die letten 20 km in genüsslicher Form zurückgelegt hast. Die Menschen am Rand der Strecke jubeln und klatschen dir begeistert zu, mit Konfetti, Tröten, Trommeln – es ist ein einziges Feuerwerk! Dein Name wird gerufen. Du reißt die Arme hoch und gibst die Begeisterung, die dir geschenkt wird, zurück. Hepp … hepp … hepp … du klatschst Hände ab, bleibst kurz stehen und drückst vollkommen fremde Menschen herzlich. Du bist dein eigener Star auf der Strecke. Die Zuschauer stehen nur für dich hier!
Deine Beine tragen dich immer weiter, die Leute jubeln immer noch, die Gänsehaut breitet sich auf deine gesamten Körper aus , wie eine Welle. Deine Haare stellen sich auf , dein Herz öffnet sich. Das warme Blut fließt durch dich hindurch, wie warme Schokolade in der Werbung, immer noch im Zeitlupen-Tempo. Es ist der perfekte Moment!
Könnten wir doch diesen Film immer wieder zurückspulen und uns ansehen, in slow motion. Wie geil wäre das? Habt ihr solch einen Film schon „gespürt“? Beim Zieleinlauf des Berliner Halbmarathons am 2. April durfte ich dieses Gefühl erleben. Wochen zuvor war alles unter Spannung bei mir.
Seit Monaten arbeitete ich an der Herausgabe meines Buches 33 laufende Geschichten. Endlich war es fertig, eine Woche vor dem Berliner Halbmarathon. Puh, das war echt knapp. Ehrlich gesagt, war das alles anders geplant. Das Buch sollte mit auf die Leipziger Buchmesse. Tja, verpasst. Zu viele Fehler versteckten sich noch im Text. Statt eines professionellen Lektors, den ich hätte bezahlen müssen, standen mir „nur“ drei liebe Helfer (Dank an: Werner, Mark und Marc) bei der Korrektur meiner Texte zur Seite. Ich kann gut Geschichten schreiben, aber noch besser Fehler fabrizieren. Mein Buch durfte ich jedoch auf der Vital Messe in Berlin, zum Berliner Halbmarathon, am Stand der AOK Nordost präsentieren. Tolle Sache. Total aus dem Häuschen war ich deswegen. Drei Tage lang wurde aus meinem Buch vorgelesen. Danach stand ich stets für Fragen bei einem Interview zur Verfügung. Noch nie in meinem Leben habe ich ein Interview gegeben, schon gar nicht auf einer Messe. Natürlich bin ich am ersten Tag x Tode gestorben.
Viele Bücher habe ich übrigens nicht verkauft, das muss ich ehrlich eingestehen. Die Begeisterung für mein Buch war groß. Jedoch haben nicht alle Begeisterten ein Exemplar gekauft. Na ja, dass konnte ich ja nicht wissen. Schließlich ist es mein erstes Buch. Beim nächsten Mal bin ich schlauer. Was ich sagen kann, jeder Verkauf war ein emotionales Gefühlskarussell und mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen. Danke an alle Käufer! Ihr ward großes Kino und die Messe eines meiner schönes Erlebnisse in meinem Leben. Danke in dem Zusammenhang auch noch einmal an die AOK Nordost und an den Moderator Michael … verdammt … ich habe seinen Nachnamen gar nicht auf dem Schirm! Michael, ich grüße dich an dieser Stelle ganz herzlich. Es war mir ein großes Vergnügen, mit dir diese drei Tage zu verbringen. Der letzte Messetag war besonders ergreifend. Meine Mami, meine große Liebe Marc (mit c) und mein bester Freund Mark (mit k) waren da. Diese drei Personen verkörpern alles, was mir am Herzen liegt. Mein Leben, Liebe, Familie und meine Freunde.
Nach der Messe war vor dem Halbmarathon. Samstag war ich seit 10:30 Uhr am Stand der AOK. 19 Uhr waren Marc und ich zu Hause. Vollkommen müde und erschöpft. Am nächsten Morgen 9 Uhr hätte ich mit Michael Klotzbier und seinem Team starten können. Eine große Ehre für mich. Am Sonntagmorgen schrieb ich die Absage an ihn. Verrückt, aber notwendig. Ich war total fertig und wollte noch alle Zeit mit Marc verbringen, der am nächsten Tag wieder nach Schopfheim fahren sollte.
7 Uhr klinget unser Wecker. Aufstehen! Zum ersten Mal trinke ich vor einem Halbmarathon 3 Kaffee im Bett mit Marc und bin die Ruhe selbst. Wie geil ist das denn! Marc und ich quasseln den ganzen Morgen. Irgendwann schauen wir auf die Uhr und beschließen hastig unsere Hintern in Richtung Bad zu schieben und uns anzuziehen. Zum Glück hatte ich alles zurecht gelegt: Startnummer, Laufklamotten, Schuhe, Zeitnahme-Chip. Frühstück lassen wir ausfallen. Ich schnappe mir stattdessen eine Banane, die ich mir mehr oder weniger rein quäle, um das Haus nicht nur mit einem Twix-Riegel und drei Kaffee zu verlassen. Allerdings muss ich heute auch kein großes Theater machen, bei einer Ziel-Zeit von 2:22 auf 21, 1 Kilometer muss frau auch kein Sieger-Frühstück vertilgen. Heute ist alles anders.
Kurz nach 9 Uhr verlassen wir das Haus. Wir. Ja – da war ein WIR … wie wunderbar. Diesmal gehe ich nicht allein zu einem Wettkampf. Das letzte WIR ist Jahre her, gefühlt sogar Jahrzehnte. Kurz vor 10 Uhr sind wir am AOK Stand. Das Gruppenfoto haben ich verpasst. Otti von der AOK rügt mich scherzhaft, zurecht, muss ich schon zugeben. Auch wenn hier alles freiwillig ist. Ich gebe zu, absichtlich zu spät zu sein. Früher wollte ich nicht erscheinen. Diese Zeit hätte uns beim „Kaffee im Bett Frühstück“ gefehlt. Nee, nee … dazu war ich nicht bereit. Nicht heute! Wenn ich mal wieder Single sein sollte, was ich natürlich nicht hoffe, kann ich immer noch zum Gruppenfoto erscheinen. Heute ist eben alles anders!
Wir „alten“ Lauffreunde begrüßen uns, fragen sofort gegenseitig nach der Ziel-Zeit und wünschen uns dann alles Gute für die Strecke. Jeder soll gesund und munter zurück kommen! Marc und ich verabschieden uns und trotten gemütlich in Richtung Strausberger Platz. Die Karl-Marx-Allee ist natürlich schon voller Menschen. Es ist ein Geschiebe und Gedrängel, um voran zu kommen. Das Gewusel hat was. Schließlich sind wir beide Teil des Ganzen. Wir sind hier und ich laufe mit, während Marc an der Strecke auf mich wartet. Wir sind Teil dieses „Läufer-Kosmos“ und das fühlt sich einfach unbeschreiblich an!
2011 habe ich davon geträumt, hier einmal mitzulaufen. Damals lief ich den Fun-Run, hatte 5 Monate zuvor meine Tochter Maya geboren, war um etliches schwerer und untrainierter. Heute war es mein dritter Berliner Halbmarathon, hatte einen Lauf-Blog online und ein Laufbuch auf dem Markt. Mehr geht nicht. Doch – endlich glücklich verliebt sein!
Am Strausberger Platz macht Marc von mir ein paar Bilder. Dieser Platz ist sonst durch den Verkehr so gut wie unerreichbar. Die Chance möchte ich nutzen, stelle mich vor den großen Springbrunnen und lasse mich ablichten. Jetzt kann es von mir aus losgehen! Ich bin berei. Es ist bereits kurz nach 10 Uhr und die Laufelite ist bereits gestartet. Die DIXI-Klos am Strausberger Platz wirken verlassen. Die riesigen LKW´s für die Gepäckaufbewahrung werden nur noch sporadisch aufgesucht. Hier hinten wird es ruhiger. Dafür tobt das Leben vorne am Start, zu dem wir uns beide hinbewegen. In Höhe des Restaurants „Alberts“ schießen Marc und ich noch ein Foto für frisch Verliebte und danach verabschieden wir uns. Den Start werde ich allein absolvieren. Marc wird an der Gertrauden-Brücke auf mich warten.
So. Allein. Es fühlt sich gut an. In zirka 3 Stunden sehe ich Marc im Ziel! Der obligatorische DIXI-KLo Besuch steht noch aus. Heute habe ich sogar Taschentücher dabei. Heute ist definitiv mein Glückstag, denn mein Klo ist total sauber. Ich kann es kaum fassen. Es ist 10:30 Uhr. Die schnellen Läufer sind schon über alle Berge. Ich sortiere mich in Block F ein. Hier laufen die Debütanten oder die etwas weniger schnellen Läufer, wie ich. Die Stimmung ist angenehm. Die Sonne scheint, die Temperaturen sind angenehm. Meine Klamotten-Wahl fiel auf mittellange Tights, das kurze AOK Shirt und natürlich mein Kopftuch. Meine „Mikey Mäuse“ setzte ich auch noch auf. Mit Musik soll die volle Dröhnung Glückshormone durch meinen Körper wandern. 10:40 Uhr – ich laufe durch das Starttor, mit rasendem Herzen und glücklich …
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!