Ich starre auf den Bildschirm meines Laptops und weiß nicht, wie ich meine Geschichte über den Berliner Halbmarathon beginnen soll. Meine Gedanken sind wirr, unsortiert, voller Emotionen. Die Musik der Klassik Lounge im Hintergrund, hilft jedoch nicht, Herr über mein Chaos im Kopf zu werden. Meine Laufgeschichten waren nie nur Laufberichte. Sie waren und sind stets ein Spiegelbild meines Lebens, meines Innersten. Damit habe ich durchaus Erfolg, so manches Feedback eines Lesers rührt mich zu Tränen oder lässt mich Freudensprünge machen. Nun sitze ich hier, unsicher was in meine Geschichte zum Halbmarathon rein soll. Soweit steht fest, es ist ein absoluter Erfolg! Ohne Bestzeit-Ambitionen rockten Marc und ich gemeinsam den Halben in Berlin. Der Titel meiner Lauf-Geschichte sollte eigentlich Die Entdeckung der Leichtigkeit des Laufens, lauten. So weit so gut. Gut ist nur eben gerade (fast) nix in meinem Leben, sage ich.

Nun ein Versuch den Lauf auf Papier zu bringen: Der Berliner Halbmarathon 2018 war der Letzte, den ich in Berlin gelaufen bin. Es war der Abschluss einer Mini-Serie, mit der alles angefangen hat, sich läuferisch weiter zu entwickeln, Neues zu wagen. Der Moment, in dem ich beschlossen hatte meinen allerersten Halben zu laufen, war eine Kampfansage an mich und meine widrigen Umstände im Leben. Mit viel Energie und Willenskraft erreichte ich mein Ziel und beim zweiten Mal übertraf ich es. Der Halbe 2015 mit einer Zeit von 1:58 und das darauf folgende Jahr 2016 mit 1:53 werden unvergesslich bleiben. 2017 war Gemütlichkeit angesagt, weil ich zuvor krank und vollkommen aus der Form war. Die Schnappszahl von 2:22 zu laufen, war realistisch und eine Herausforderung zugleich. 2018 war nun der krönende Abschluss für das Laufen in Berlin, in Form des ersten gemeinsamen Halbmarathons mit Marc, meiner großen Liebe. Das klingt nach dem Ende eines läuferischen Märchens, was mir nur nicht recht gelingt zu Papier zu bringen.

Warum? Ihr alle kennt das Gefühl der Ohnmacht. Der Ohnmacht vor Dingen, die euch im Leben widerfahren, durch Umstände, die ihr nicht ändern könnt, oder auch manchmal nicht ändern wollt, weil genau diese Umstände Sicherheit geben. Ändert sich etwas, geraät alles aus den Fugen. Oder du fühlst dich ohnmächtig, weil sich zu viele Dinge auf einmal verändern und somit ein schier unentwirrbares Chaos entsteht. So geht es mir derzeit.

Die ersten zwei Wochen in Kiel waren ein Wechselbad der Gefühle. Meine Familie zu verlassen allein in Kiel zu beginnen, war eine bewusste Entscheidung. Sitztend in einem kleinen Zimmer, das nur aus einem Bett, Tisch, Stuhl und einem Waschbecken besteht, wird das private Leben zur Herausforderung. Neben der Einarbeitung in ein neues Arbeitsgebiet, die Veterinärmedizin, beginnt nun die Suche nach einer Wohnung. Erst einmal tut es ein möbliertes Zimmer in einer Bundeswehr-Kaserne, da es für mich unrealistisch ist, in 3 Monaten eine bezahlbare und zugleich angenehme Wohnung zu finden. Vor allem, weil ich meine neu dotierte Stelle noch nicht antreten kann. Somit weiß ich nicht, was ich zukünftig verdiene. Es heißt abwarten, Geduld haben, was ja eh nicht meine Stärke ist! In dieser Zeit kommen bürokratische Formalien auf mich zu, wie der Unterhalt für meine Maya. Dabei kommt es zu Missverständnissen, Geldengpässen, Tränen und Angst vor finanzieller Not. Ein unterzeichneter Vertrag bei einem SM-Buchverlag, was an sich unglaublich ist, können mir nicht die Angst vor der (nahen) Zukunft nicht nehmen oder mich aufmuntern.

Ich finde auch noch einen Knoten in meiner Brust. Scheiße! Gerade erst in Kiel angekommen. Mein Herz, mein Kopf, mein Bauch – mein gesamter Körper sind ein Durcheinander, das ich versuche zu übertünchen. Einfach morgens aufstehen und weiter machen. Wie beim Laufen. Einfach einen Fuß vor den nächsten setzen. Laufen, laufen, laufen und nach vorne schauen. Da vorne befindet sich das Ziel , nur nicht stehen bleiben und schon gar nicht denken. Laufen hat mir in so vielen Situationen schon geholfen. Verloren habe ich den Mut nie, auch wenn ich schon oft hoffnungslos war und in manchen Momenten dachte, ich kann nicht mehr.

Big Family an der Strecke beim Halben 🙂


Mit Marc zusammen durch Berlin zu laufen, die Menschen an den Straßenrändern zu sehen, zu hören, zu spüren war fantastisch. Wenn ich daran denke, muss ich lächeln. Was für ein schöner Frühlingstag das auch war. Die Sonne hatte in ihrer ganzen Pracht geschienen und uns verzaubert. Die Musik an der Strecke beflügelte, die Rufe der Leute an der Strecke euphorisierten. Es war ein Fest des Laufens, denn nicht auf Bestzeit durch die Straßen zu rennen, sondern die Atmosphäre in uns aufzunehmen, Berlin erleben, zu genießen, haben eine Leichtigkeit in die 21 Kilometer gebracht, wie ich sie selten erlebt habe. Selina, Maya und meine Mama waren an der Strecke und jubelten uns vor unserer Hausstür in der Leipziger Straße 33 zu. Was für ein wunderbares Gefühl war das! Im Innern meines Herzens weiß ich, dass alles gut wird. Angst habe ich trotzdem. Der Knoten in meiner Brust wird nichts von Bedeutung sein! Punkt. Meine derzeitigen Probleme werde ich mit Kraft, Mut und mit der Zeit zu händeln wissen. Mein Mann und meine Familie unterstützen mich dabei. Bis dahin werde ich laufen … laufen … laufen … mit so viel Leichtigkeit wie es nur eben möglich ist.

Mai 2018: Nachtrag zu dieser Geschichte: Der Knoten in der Brust war harmlos! Gott sei Dank!

Auf der Strecke Höhe Schloss Charlottenburg
Hey, Mark. Er findet uns kurz vor dem Ziel auf der Getraudenbrücke.
Im Ziel! Happy End.
Suchbild. Na wo sind Marc und ich 😉

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