Ab diesem Moment am Wasserstand ist eine große Sperre im Kopf. Ich grüble darüber nach, wie ich weiter laufen sollte. Schneller, um dann eher in den Genuss von lebensnotwendigem Trinkwasser zu kommen? Langsamer, um weniger Wasser zu benötigen? Oder genau das Tempo dazwischen und pokern? Mit diesen Gedanken passiere ich den Gendarmenmarkt und biege auf die Leipziger Straße ein. Ich laufe genau unter unserer Wohnung vorbei. Schade, dass niemand am Fenster steht und winkt, denke ich kurz. Na ja, die Mädels sind groß und mit sich beschäfigt. Da spielt die Laufleidenschaft der Mama keine Rolle. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich bin ja nicht mehr allein, wenn auch das Herz, das für mich schlägt weit im Süden des Landes weihlt. Unsere Liebe zählt und nichts anderes!
Der Potsdamer Platz! Hier hat es leztes Jahr angefangen zu regnen. Regen wäre jetzt in der Tat nett. Ich nehme einen Marshmallows Snack und verspreche mir dadurch etwas mehr Power. Die zwei Bananen am Morgen und die zwei Kaffee sind nicht viel gewesen. Außerdem schlägt jetzt bereits die Freitagnacht und die 5 Weinschorlen zu. Wusste ich es doch! Aber, nein! Hier wird nicht gejammert. Feiern ist toll. Ich gehe gern aus. Das Leben hat sooooo viele schöne Dinge zu bieten. Alles gut. Ich quäle mich dann eben ein bisschen, das ist schon in Ordnung.
Ich bin ja gleich bei Kilometer 15, da gibt es (hoffentlich) Wasser und ich kann kurz ein paar Meter gehen. Der Versorgungsstand hat tatsächlich Wasser. Gott sei Dank! Ich trinke einen ganzen Becher Wasser aus und schütte mir einen weiteren über Kopf und Brust. Es ist verdammt warm, zu warm für 25 Kilometer. So, es hilft nix … ich muss weiter … ehrlich gesagt, habe ich ab hier keine rechte Lust mehr. Um mich zu motivieren und Spaß zu haben, denke ich an viele schöne Dinge, die mein Leben derzeit ausmachen. Die Musik auf den Ohren hilft dabei unbeschreiblich. Auf dem Ku´damm geht es mir zeitweise besser. Hier treffe ich auf einen Laufkollegen vom After-Work-Run-Treff im Friedrichshain. Er fragt mich nett, wie es läuft. Ich antworte mit einem breiten und freundlichen Lächeln „Beschissen!“. Das ist leicht übertrieben, kommt aber dem Ganzen, kurz und knapp, am Nächsten. Bei ihnen liefe es ähnlich, sagt er. Sein Kumpel lächelt. Hm, die beiden sehen mir nicht so aus. Tja, wenn die beiden es sagen, wird es wohl stimmen. Vielleicht sehe ich ja auch noch fitter aus, als ich mich fühle, wer weiß
Endlich biegen wir rechts ab und verlassen den Ku´damm. Wie weit ist es noch bis zum Ziel? 8 Kilometer? Ich wurschtle mir noch ein Marshmallows-Dingsbums aus meinem Gürtel und verdrücke ihn genüßlich, obwohl er schon ziemlich klebrig und warm ist … Ab hier wird es nochmal taff. Die Kantstraße und die Masurenallee sind kein Zuckerschlecken, da es stetig bergauf (für Berliner Verhältnisse) geht. Tja, was am Start runter ging, müssen wir jetzt wieder rauf. Wie im „richtigen“ Leben. Es geht immer bergauf und bergab. Ab hier wird es eine Quälerei. Der stetige Anstieg fordert alle. Ich werde immer langsamer und wahrscheinlich ist mein Laufstil eher einer zusammengesunkenen Ente ähnlich, als einem flotten Laufhasen. Meine Fersen tun mir weh. Ich habe mich wohl doch für die falschen Laufschuhe entschieden, das hatte ich mir schon gedacht. Jetzt habe ich es “schwarz auf weiß”. Meine Saucony sind einfach durchgelascht und waren ja schon immer nur wenig gedämpft. Das macht sich jetzt bemerkbar. Schade eigentlich, aber es ist unerheblich. Jetzt ziehe ich den Lauf durch. Der längste Teil ist geschafft. Dann laufe ich eben noch langsamer. Na und!? Was ist schon dabei? Nix. Natürlich. Ich habe bis jetzt ein wundervolles Wochenende erleben dürfen. Die Sonne scheint. Ich laufe mit vielen gleichgesinnten Läufern 25 Kilometer durch Berlin.
Mir tun die Fersen immer noch weh und mein Körper muckert ein bisschen. Ja, mein Gott – alles nicht schlimm. Laufen ist sexy. Laufen macht sexy. Los Diana, lauf. Ente hin oder her. Morgen geht es dir wieder besser und die gelaufenen Kilometer werden sich auszahlen! Sehnlichst erwarte ich den nächsten Versorgungspunkt. Ja, Wasser. Meine Beine machen mir das Leben schwer, hier kann ich ein paar Schritte gehen. Das tut gut. Komischerweise gibt es hier nur Flaschen und keine Becher mit Wasser. Das ist ja merkwürdig. Da ist irgendwas in der Planung zu diesem Lauf falsch gelaufen. Was soll ich denn mit einer ganzen Flasche? Haben nachher die letzten wieder dafür gar kein Wasser? Mit schlechtem Gewissen nehme ich eine Wasserflasche, trinke ausreichend und schütte mir Wasser über die Brust und den Kopf. Es ist verdammt warm. Dann drehe ich mich um, halte die Flasche hoch, in der Hoffnung, sie weiterreichen zu können. Niemand möchte meine Flasche. Hm, schade … Ein paar Sekunden halte ich noch Ausschau, dann stelle ich die Flasche am Straßenrand ab, in der Hoffnung, das sie noch genutzt wird.
So, jetzt noch 5 Kilometer. Das ist doch ein Klacks … Einfach positiv denken … Puh … das wird ein langes postives Denken. Wenn ich die 5 Kilometer in einer Pace von 6 laufe, bin ich immer noch eine halbe Stunde unterwegs. Da ich definitiv langsamer bin, wird es eher 40 Minuten. Oh, nein. Noch soooo lange laufen. Ich suche mir auf meinem Smartphone Power-Musik, um mich mental zu pushen. Jäh … mit “Glücksmoment” von Prince Damien versuche ich mich in Stimmung zu bringen. Das klappt den Umständen entsprechend gut. Meine Laune steigt, mein Herz bekommt Flügel und ich fühle mich frei und glücklich. Gänsehaut macht sich auf meiner Haut breit. Ab hier höre den Song in einer Dauerschleife. Bei der Halbmarathon-Zeitmessung liege ich ganz entspannt bei zwei Stunden und achtzehn Minuten. Oh das geht doch, zum Berliner Halbmarathon war ich langsamer, wenn auch beabsichtigt.
Nun sind es noch knappe 4 Kilometer. Jäh, das mache ich doch mit links … Meine Füße laufen mal … tip, tip oder schlepp, schlepp oder schlürf, schlürf … tip, tip, schlepp, schlepp, schlürf, schlürf … Die Musik hilft … ein bisschen … aber nicht mehr viel … ich muss da ehrlich sein! Ah, das Olympiastadion kommt in Sichtweite. Es sind noch zwei Kilometer! Juhu! Am Olympischen Platz stehen die … tja … waren das jetzt die einen Runners oder die Anderen? Mein Gott, bei diesen ganzen Laufgruppe von Sportfirmen komme ich schon mal durcheinder. Egal! Die Truppe war jedenfalls SPITZE!!! Die machen ordentlich Krach und Stimmung. Tatsächlich bekomme ich noch einmal einen tollen Energieschub. Gänsehaut fliegt über meinen Körper … WOW! Können die jetzt nicht verteilt, die ganzen restlichen 2 Kilometer stehen und nur MICH anfeuern.
Das Olympiastadion lassse ich in einer Kurve rechts liegen. Die Sonne scheint heftig vom Himmel, es ist heiß. Die Menschen am Platz feuern uns an. Eigentlich ist es eine tolle Stimmung. Aber bei mir ist körperlich der Stecker gezogen. Kein Bock – ich habe keinen Bock. Jetzt kommt die Strecke um das Stadion herum, hier knallt die Sonne erbarmungslos und der Staub wirbelt beim Laufen auf. Das kenne ich schon. Mir sagt mein Koopf, zieh die Reißleine, los zieh … und ich mache es auch. Zwischen Kilometer 23 und 24 gehe ich einfach. Einfach so. Ist ja mein Lauf. Ich bin ja nicht beim Schulsport, in dem die Lehrerin schimpft: „Diana – hier wird nicht gegangen!“. Schön ist es, wenn man erwachsen ist und selbst entscheiden kann, was für einen gut ist. Für mich ist es besser, diesen einen Kilometer zu gehen. Mit meiner Musik auf den Ohren genieße ich diese Meter der Entspannung. Ich grüße herzlich in die Kamera der Fotografen, die hier auf „Schüsse“ hoffen, die sich gut verkaufen. Mein herzlichstes Lächeln setzte ich auf und winke ich die Kamera, was nicht schwer ist, wenn frau geht. Schön, hier zu sein, aber ich bin froh gleich da zu sein.
Das Marathon-Tor des Olympiastadion ist nah. Ich setzte meine Musik ab und genieße die Samba-Band, die im Tunnel laut für Gänsehautfeeling sorgt. Marian spricht mich an, er und sein Freund hatte ich auf dem Ku´damm getroffen, und meint ich solle mit ins Station rennen. Rennen, so richtig schnell. Nee, Marian lass man gut sein. Ich laufe gemütlich, sage ich ihm. Ins Station einlaufend schaue ich mich um. Das tue ich jedes Mal, wenn ich hier reinkomme. Dieses Station ist wunderschön. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn alle Plätze besetzt wären und man würde hier einlaufen? Tja, das werde ich nie erleben … nicht schlimm. Jetzt und hier bin ich froh die letzten hundert Meter absolvieren können. 25 Kilometer sind für mich eine fantastische Leistung. Ich kann stolz sein.
Einen kleinen Beitrag leiste ich noch, indem ich durch das Spendentor PLAN international laufe. 5 Euro spende ich für hilfsbedürftige Kinder. Das ist ja nun kein Ding und für mich selbstverständlich. Während ich durch das Tor laufe, werden Fotos von mir geschossen. Lächeln und gute Stimmung verbreiten ist jetzt kein Problem mehr. Nach 200 Metern habe ich es geschaftt. GEIL! Dann die Zielgerade. Cheerleader säumen rechts und links die letzten 20 Meter vor dem Ziel und treiben die Glückhormone noch einmal in die Höhe. Ich reiße die Arme hoch und freue mich unendlich, es geschafft zu haben. Jäh!!!! Wie geil ist das denn. Richtig geil! Ich bin da! Schnaufend und hochrot nehme ich dankend meine Medaille entgegen. Dann noch ein Foto vom Profi. Irgendwie treibt es mich jetzt. Ich möchte hier nicht bleiben. Warum auch immer. Vielleicht habe ich Bedenken, wenn ich stehen bleibe, zusammenzusacken, denn ich bin total fertig!
Auweia! Jetzt muss ich ja die Treppe des Stadions hoch. Oh, oh … das wird noch einmal hart. Auf der Treppe sitzen viel LäuferInnen und verschnaufen oder unterhalten sich untereinander. Leider bin ich allein, aber nach dem Lauf treffe ich mich ja mit Mark. Wir möchten zusammen nach Hause fahren. In Slow Motion bewältige ich Stufe um Stufe … dann eeeendlich oben. Mein Blick streift suchend die Versorgungspunkte durch. Wasser … ich brauche Wasser und ein Stück frisches Obst. Am besten einen Apfel. Von links, rechts, hinten und vorne laufen Menschenmengen an mir vorbei. Die Sonne brennt. So richtig gut fühle ich mich noch nicht. Ah, Apfel. Ich genieße die frische Frucht. Oh ja, lecker. Am Nachbarstand gibt es Wasser. Das gnieße ich auch. Schweren Fußes mache ich mich auf den Weg um das Station herum. Ich muss mein Gepäck abholen, noch einmal für „kleine Mädchen“ und dann zu Mark. Wir wollen uns am Schwimmbad treffen. Mal horchen, wie sein Lauf war. Er ist bestimmt schon ewig im Ziel. Meine Zeit mit 2:47 ist ja eher so mittel. Egal. Jetzt bin ich im Ziel.
Bis zum Schwimmbad komme ich erst gar nicht. Eine Nachricht von Anne erreicht mich. Sie ist bereits im Ziel, klar sie war natürlich mit 2:17 viel schneller als ich. Mark habe seinen Lauf abgebrochen und sei schon auf dem Weg nach Hause. WAS?! Abgebrochen? Schon auf dem Weg nach Hause?! Die Nachricht von Anne muss ich zweimal lesen, um sie zu glauben. Ich bedanke mich bei ihr, wünsche ihr eine gute Heimfahrt und beende dann gedankenversunken den Chat. Was war da los mit Mark? Anne wusste es offensichtlich auch nicht, sonst hätte sie es erwähnt. Grübelnd mache ich mich auf den Weg zur S-Bahn. Zuvor hole ich mein Gepäck und ziehe mich um. Hm, irgendwie ist jetzt bei mir ganz die Luft raus. Natürlich mache ich mir Sorgen, zum anderen bin ich auch etwas enttäuscht, dass mich Mark nicht informiert hat. Tja, muss wohl schlimm sein, sonst hätte er sich gemeldet, ganz bestimmt. Mark ist die Zuverlässigkeit in Person. In einem sehr desolaten Zustand, meinen Körper und meine Gedanken betreffend, mache ich mich auf zum Bahnhof. Immer noch brennt die Sonne vom Himmel. Könnte jetzt mal endlich jemand die Funzel ausschalten. Langsam nervt das Ding da oben. Sorry. Auf dem Bahnhof Olympiastadion stehen Massen an Menschen. Was ist denn hier los? Oh nö … jetzt nicht noch eine volle S-Bahn. Darauf habe ich jetzt keine Lust. Mir ist irgendwie nicht gut und ich möchte mich hinsetzten können. Eigentlich möchte ich liegen. Ja! Liegen wäre super. Vor allem könnte es doch plötzlich regnen und kühler werden. Die Hitze geht mir so was von aufs Gemüt.
In Richtung City fährt keine Bahn. Die Anzeige zeigt irgendwas von unregelmäßigem Zugverkehr. Na herzlichsten Glückwunsch! Das jetzt auch noch! Und nun … ich entscheide mich in Richtung Spandau zu fahren, um von dort die Regionalbahn zu nehmen. Die Bahn fährt ein. Rein. Sitzen … aaaahhh endlich. In Spandau angekommen steige ich aus und checke die Lage. Auf dem Bahnsteig gegenüber fährt gerade ein Regionalzug in Richtung Berliner City ein. Bingo! Aber, die Bahn bekomme ich defintiv nicht mehr. Selbst wenn ich rennen würde. Abgesehen davon, das RENNEN jetzt gar nicht geht. Meine Beine bestehen faktisch aus Gummi. Nix da mit schnell. Tja, was „sagt“ die S-Bahn, aus der ich gerade ausgestiegen bin? Die würde in 12 Minuten abfahren. Mein Gott, dann steig ich eben hier wieder ein. Ich suche mir ein nettes Plätzchen und lasse mich gaaaaanz vorsichtig nieder. Nur keine schnellen Bewegungen. Ich würde gern die Beine hochlegen. Hatte ich erwähnt, dass ich gern liegen würde? Ja, hatte ich schon … ich sinke wie ein nasses Shirt zusammen auf den Platz. Puffffffffffffff …
Mir ist sooo übel, ich fühle mich wie im falschen Körper. Die Wärme nervt mich. Ich will endlich nach Hause. Tja Süße, noch sitzt du jedoch in Spandau. Zu Hause ist noch verdammt lang und weit weg. Die Bahn fährt ewig nicht los. Nix da mit, in 12 Minuten. Derweil teile ich „Gott und der Welt“ mit, wie es mir geht. Meine Familie möchte schließlich wisssen, wie es um mich steht. Was schreibe ich denen? Schwindle ich sie an oder schreibe ich: Lauf überstanden, mir ist kotzübel? Das würde nicht gut rüberkommen. Ich druckse lieber rum und lasse gewisse Details aus … nur Marc schreibe ich, wie es mir wirklich geht. Als der Mann an meiner Seite sollte ich ihn nicht im Unklaren lassen. Das würde ihm nicht gefallen.
Ich telefoniere auch noch mit meinem Lauffreund Mark – der mit „k“. Erzählt mir den Grund seines Abruchs beim BIG 25. Ihm geht es soweit gut. Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Das ist ja eine gute Nachricht. Derweil fährt die Bahn los. Wurde ja auch Zeit. Die Strecke von Spandau nach Stadtmitte zieht sich endlos. Vor Müdigkeit fallen mir die Augen zu. Schlafen kann ich allerdings nicht richtig. Dazu ist es zu unbequem und mir ist zu übel. So quäle ich mich bis zum Bahnhof Friedrichsstraße … dann kommt es noch mal ganz dicke … siehe Anfang des 1. Teils 😉
Was für ein Lauf, was für ein Tag!
Fazit zum Lauf: Der BIG 25 besticht durch die besondere Kilometeranzahl. 25 ist irgendwie eine coole Strecke, vor allem durch die Berliner City. Die Organisation ist immer große Klasse. Bis auf das riesengroße Manko dieses Jahr: DAS WASSERPROBLEM an der Strecke.
Fazit des Tages: Sonne tut nicht immer gut! Ich glaube, einen leichten Sonnenstich erlitten zu haben (trotz Koptuch), denn andere Läufer, mir denen ich anschließend sprach, hatten ähnliche Beschwerden. Aber es ist überstanden. Wir Läufer sind hart im Nehmen!
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