Nr.7 der 33 laufenden Geschichten

29. März 2015 Berliner Halbmarathon

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll?

Vielleicht diesmal am Ende. Mein Traum wurde wahr. Tatsächlich bin ich meinen ersten Halbmarathon in einer Zeit von unter zwei Stunden gelaufen.
So, und nun von vorn.

Irgendwann letztes Jahr (2014) hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, einen Halbmarathon zu laufen.
Es sollte der Berliner Halbmarathon sein. Im Vorfeld wollte ich recht unbemerkt den Müggelsee-Halbmarathon laufen. Einfach langsam, nur ankommen. Das klappte aber nicht, da ich bei der Vorbereitung auf diesen Lauf Schmerzen bekam. Ich zog die Bremse an und begann fast von ganz vorn wieder an. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, gebe ich alles und vor allem nicht auf!

Also Lauf-Bücher lesen,

Sportarzt aufsuchen, mit anderen Läufern Informationen austauschen, Geduld haben und Ausdauer trainieren. Das war mein Programm. Meine Ausdauer zu trainieren hatte ich in der Vorweihnachtszeit begonnen. Ganz langsam laufen, die Distanz langsam steigern.
Anfang des Jahres hatte ich dann den Check bei Sportmediziner. Meine Laktatwerte wurde erneut gemessen, die Herzfrequenzen neu ermittelt. Jetzt wusste ich, wie ich es anpacken muss.

Nach einem Trainingsprogramm arbeitete ich alles was ging ab. Langsamer Dauerlauf, Mittlerer Dauerlauf, Fahrtspiel, Krafttraining, Koordination. „Nebenbei“ ging ich noch arbeiten, kümmerte ich mich um meine drei Mädels, natürlich auch um meinen Mann und den Haushalt. Ach ja und die gesunde Ernährung nicht zu vergessen. Gesund essen ist das eine. Dafür extra einkaufen und kochen, das andere. Aber, ich wollte es so! Es war auch gar nicht soooo schlimm, wie es hier jetzt in der Zusammenfassung klingt. Wenn man etwas wirklich möchte, ist es gar nicht so schwer.
Man muss nur konsequent dran bleiben.

Ab Anfang Februar hatte ich dann diesen Vorbereitungskurs vom Medical Institute gemacht. Jede Woche. Wir hatten dann an diesem Abend immer Fahrtspiele gemacht. Anfang März hatte ich mir dabei leider wehgetan. Eine Woche lang hatte ich pausiert und wusste nicht, wie es weiter geht. Das war unangenehm. Dann ging es wieder. Drei Woche vor dem Event dann die kleine Erkältung. Das Training musste ich dann kurz ausgesetzen und mich geschonen. War nur die Frage, wie weit falle ich mit beiden Problemen zurück, im Training. Ich war fest der Meinung, die 2 Stunden sind so nicht mehr zu schaffen. Mental bereitete ich mich darauf vor. Denn ankommen war doch schon so viel wert. Aber irgendwie wollte ich es auch nicht glauben.

Zwei Herzen schlugen in meiner Brust. Ein rationales und ein emotionales. Am Abend vor dem Lauf war ich schon sehr aufgeregt. Ich sprach auch nochmal mit meinem Mann. Er meinte, übernimm dich nicht, mach langsam. Alles wird gut. Genieße den Lauf. Absolut okay.

Aber nein!
Ich sagte stattdessen: „Mike, ich will mal was riskieren. Ich laufe so oft mit Bremse im Kopf. Diesmal will ich einfach nicht denken, sondern nur laufen. Ich will meinem Körper herausfordern.“
Mein Leitspruch, den ich dann mir noch ein paar mal sagte, war:
„ Ich will mal was riskieren!“

Am Sonntag machte ich mich dann mit auf,

zusammen mit meinen großen Mädels. Mike wollte später mit Maya zum Ziel kommen. Wir liefen zum Start an der Karl-Marx-Allee. Für uns ja ein kleiner Spaziergang. Die Straße war schon voller Läufer und deren Begleitung. Am Kino International trafen wir uns mit Gustav und einem Freund von ihm, Basti. Wir drei wollten zusammen laufen. Die beiden Jungs als Pacemaker, ich hinterher. Wir gaben den Mädels unsere Klamotten und machten uns los. Selina und Géraldine konnten während des Events im „Alberts“ brunchen. Das war mein Dankeschön an sie. Eine dreiviertel Stunde später als die schnellsten Läufer, passierten wir den Startbogen.

Wir drei waren guter Dinge

Gustav und Basti wollten dafür sorgen, dass wir mit einer Pace von 05:41 die 21,1 km unter 2 Stunden laufen. Da wir aus dem letzten Startblock kamen, waren viele langsame Läufer um uns herum, es war sehr voll und so mussten wir uns ca. 4km durch das Läuferfeld kämpfen, bis wir in ein ruhigeres „Fahrwasser“ kamen. Die Zeit mussten wir rausholen. Alle paar Minuten schauten die beiden auf ihre Uhren. Regulierten, was an Geschwindigkeit zu regulieren war. Ich hatte noch kein Gefühl, wie der Lauf enden würde.

Am Schloss Charlottenburg

bei Kilometer 8 waren wir gut im Lot. Wir liefen konstant um die 05:41. Ob ich das bis zum Ende schaffen würde? Keine Ahnung. Unser Der Plan war bis 10km in diesem Tempo zu laufen und von da an immer spontan zu entscheiden, wie es weiter ging. Nach 10 km war alles gut. Trotz etwas Gegenwind fühlte ich mich super. Also, weiter in diesem Tempo. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich ein wunderschönes Gefühl. Ich hatte keine Schmerzen, die Beine liefen, der Kopf dachte nicht nach. Das Tempo war okay. Ab jetzt schaute ich auch nur noch auf meinen Vordermann, Gustav. Basti lief stets ein bisschen drumherum. Die Straße sah ich gar nicht mehr. Mein Tunnelblick fokussierte nur den Hintern von Gustav, auf dem die Startnummer hing. Alles lief wie am Schnürchen. Meine Musik auf den Ohren sorgte für guten Beat. Bis Kilometer 17 ging das so unverschämt gut weiter.

Bei ca. 18,5 km war dann ganz plötzlich mein Einbruch

Aus heiterem Himmel. Mein rechtes Bein zeigte leichte Schmerzen an und mir ging die Puste langsam aus. Es waren noch 2 km zu laufen. Mein ganzer Körper signalisierte mir, das er keinen Bock mehr hat. Gustav und Basti bemerkten dies auch. Wir verständigten uns mit kleinen Gesten und ich zeigte an, das ich es schaffen möchte. Ich wusste ja, das es wehtun wird. Also sagte ich mir: Du wolltest es so, also quäle dich!

Die Leipziger Straße war unendlich lang

Die „Gertrauden Brücke“ kam mir unendlich hoch vor. Die noch bewältigen, dann nur noch gerade aus und kurz um die Ecke! Ich war absolut am Limit.
Ca. 1 km vor dem Ziel sagte dann Gustav, sehr lieb. „Genieße den letzten Kilometer. Es ist dein Lauf.“ Naja, das mit dem Genießen lief nicht so gut. Erst als wir auf die Zielgerade einbogen, ging es mir mental besser.Wir drei hielten uns dann kurz vor Ende an den Händen und rissen sie beim Zieleinlauf hoch.
Zielzeit : 01:58:13! Wow! Sensationell. Ich hatte es geschafft! Ich hatte was riskiert und gewonnen. Ein Traum.

Mir war zum heulen, vor Glück

Aber ich konnte nicht, zu sehr war ich noch unter Spannung. Alle Vorbereitung, alle Organisation, mein Glaube an mich, einfach alles hatte sich ausgezahlt! Einige Minuten und Meter weiter warteten meine Mädels auf mich. Sie freuten sich riesig auf mich und quietschten, als ich ihnen meinen Zeit verriet. Mein Mann gratulierte mir einen Tick zu unterkühlt, fand ich. Meine Pacemaker Gustav und Basti ließ er ungesehen stehen. Dafür verabschiedete ich sie herzlich und wandte mich dann meiner Familie zu, um nach Hause zu spazieren.

Warum kann ich nicht glücklich beim Laufen UND in der Familie sein, dachte ich so bei mir und versuchte mir mein Glück nicht nehmen zu lassen …